Wenn Vaultierchen reisen

Sehr spontan und mit sehr wenig Budget beschlossen wir Anfang Juli, dass wir Mitte Juli in den Urlaub wollten. Innerhalb Deutschlands. Nicht zu weit weg. Ein Auto müsste man organisieren und die Unterkunft sollte möglichst billig sein. Aber trotzdem schön. Kindgerecht natürlich auch. Am besten wäre wohl eine Ferienwohnung, da vegan im Hotel ja so eine Sache ist. Campen/Zelten für mich keine Option. Ein bisschen Internet-Recherche, dabei natürlich festgestellt, dass sämtliche erschwinglichen Ferienwohnungen entweder ausgebucht oder in der Hauptsaison dann doch unverschämt teuer sind. Die rettende Idee: Wir haben doch Jugendherbergskarten! Für mich bisher eher wenig vorstellbar. Jugendherberge, du lieber Himmel. Am besten auch noch mit fremden Menschen auf einem Zimmer, Gemeinschaftsdusche und solche Späßchen. Das ist so überhaupt nicht meins. Ich brauche wohl keinen Luxus (auch wenn ich ihn dann und wann ganz nett finde), aber ein bisschen Privatsphäre dann doch. Gerade im Urlaub. Schnell stellte sich aber heraus: Jugendherbergen bieten Familienzimmer. Manchmal sogar mit Dusche im Zimmer. Und in Gerolstein wäre etwas frei. Gerolstein, ja. Da wollte Axel doch schon lange mal wieder hin. Da hat er schon oft von geschwärmt. Die Natur, die Fossilien dort zum sammeln und staunen, die Luft. Schön soll es da sein, hat er gesagt. Gerade auch für Fion. Und für Fion ist doch auch eine Jugendherberge eigentlich optimal. Kinder sind garantiert dort. Blieb noch die Frage nach dem Essen. Eine Selbstversorgerküche haben die wenigsten Herbergen. Diese leider auch nicht. Aber einen netten Koch. Mit dem habe ich nämlich kurz telefoniert und der erklärte mir sofort, dass sie nicht selten Veganer zu Gast hätten und er auch vegan kochen würde, das wäre überhaupt kein Problem. 

 

Wundervoll. Also fix ein Auto über die Plattform Drivy gemietet (hier bieten Privatleute ihre Autos an, man benötigt keine Kreditkarte für eine Kaution, die Mieten sind vergleichsweise günstig), 1 Woche Jugendherberge Gerolstein gebucht und mit dem Packen angefangen. Ich war wirklich gespannt, was mich dort erwarten würde. 

 

Erwartet hat uns zunächst mal strahlend schönes Wetter. Begrüßt wurden wir von sehr freundlichen Herbergseltern und sauberen Zimmern. Ja, Dusche und WC auf dem Flur, aber keine Gemeinschaftsduschen immerhin. Auch diese jeden Tag strahlend sauber geputzt. Man hatte nie den Eindruck, dass hier viele Leute die Räumlichkeiten nutzen und hatte immer genug Privatsphäre. Viel Wiese um das Haus, Spielmöglichkeiten genug für ein aktives Kind. Und direkt am Waldrand. Der erste Spaziergang fand dann auch direkt nach dem Abendessen statt. 

 

Tja, das Essen. Eigentlich wollte ich es euch fotografieren, jeden Abend. Aber, leider, es hat sich nicht gelohnt. Ja, ich bin satt geworden. Keine Frage. Und ich weiß auch, Jugendherbergen müssen extrem sparsam kochen. Aber Salz und Pfeffer sollten drin sein. Richtig lecker war nichts von den abendlichen Gerichten, muss ich sagen. Grundsätzlich fehlte eine Sauce. Eines Abends gab es so staubtrockenen Couscous, dass ich ohne die Tomatensuppe vermutlich leer ausgegangen wäre den Abend, da ich den Couscous partout nicht essen konnte. Aber ich will wirklich nicht meckern! Die Auswahl morgens bestand für Veganer aus 4 selbstgemachten Dips (Hummus, Guacamole, Olivenpaste und Bohnen-Knoblauch-Creme) sowie 4-5 selbstgemachten Marmeladen. Doof nur, dass ich Marmelade nicht mag. Und Oliven auch nicht. Und die Guacamole immer weg war, wenn wir morgens zum Frühstück kamen. Ich stank also 1 Woche jeden Tag enorm nach Knoblauch. Denn eines muss ich wirklich sagen: Hummus und Bohnen-Dip waren der Knaller. Sowas von lecker! Als mir nach 5 Tagen die Knoblauchfahne aber zu viel wurde, durfte ich im Bistro-Kühlschrank - wo ich auch schon meine Pflanzenmilch untergebracht hatte - 2 Aufstriche für mich deponieren. Überhaupt waren die Herbergsangestellten enorm freundlich, sehr entspannt und hilfsbereit. Samstag sollte es für die Allesesser Klöße, Rotkohl und Schweinebraten geben. Als ich dem Koch eine rein pflanzliche Fertigsauce gab und ihn bat, mir auch Klöße mit dieser Sauce zu machen, statt eines Alternativ-Essens, sagte er sofort "Das ist doch kein Problem, mache ich gerne. Den Rotkohl mache ich auch diesmal mit Margarine, den können Sie dann auch essen." Ich bin also kulinarisch nicht gerade auf meine Kosten gekommen, aber satt sind wir alle geworden. Und zufrieden waren wir damit auf jeden Fall. 

 

Das Wetter war uns auch die ganze Woche - bis auf eine sehr unschöne Ausnahme - hold und zeigte sich von seiner strahlendsten Seite. Jeden Tage Sonne, jeden Tag sehr warm. In und um Gerolstein so viel zu erleben. Auch ganz ohne oder mit nur sehr wenig Geld. Allem voran natürlich wandern. Was ich aus meiner Kindheit noch in langweiliger Erinnerung habe, war hier ein Träumchen. Mein Sohn eh der kleine Entdecker, mein Freund ein großer Fossilienfreund. Und Gerolstein lag vor Jahrmillionen noch unter Wasser. Hier gibt es an jeder Ecke Fossilien zu finden. Keine Wanderung also, wo die Jungs nicht die Taschen voller Steine hatten. Ist jetzt ehrlich gesagt nicht so meins. Steine halt. Evolutionär gesehen bestimmt spannend, aber ... naja, Steine halt. Aber für mich gab es auch viel zu sehen, zu riechen und zu schmecken. So viele Wildkräuter gibt es bei uns nicht. Auf jeder Wanderung haben wir nebenbei Walderbeeren und Himbeeren, einmal sogar Johannisbeeren gepflückt und verputzt. So viel nahezu unberührte Natur. Wälder, die einem das Gefühl von einem Märchenwald gaben, an dem man fast erwartete, dass hinter dem nächstem Baumstamm ein Wichtel hervorlugt. So viel Ruhe. Auch wenn ich nach wie vor nicht so die Wandermaus bin und die Touren hauptsächlich gemacht habe, weil die Jungs es halt toll fanden, ich habe es absolut genossen. Nur jeden Tag wandern, das mochte ich dann doch nicht. 

 

Es gibt aber noch viele andere Dinge, die man in der Umgebung erleben kann. Immer natürlich auch für mich die Frage: Was ist für mich akzeptabel, wo ist mein Kompromiss? Insbesondere für mein Kind. Zoos sind tabu, inakzeptabel. Das findet auch mein Kind. Nun gab es aber dort in der Nähe die Kasselburg, für Fion natürlich spannend. Sie beinhaltet aber einen Adler- und Wolfspark. Hier lebt das größte Wolfsrudel Europas, Timberwölfe. Und ein Paar Polarwölfe. Tiere in Käfigen. Mein innerer Konflikt auf Hochtouren. Wölfe sterben aus bei uns, auch Wildvögel immer mehr in Bedrängnis durch den Menschen. Die Gehege der Wölfe dort sind riesig, umfassen ein enormes Areal. Sie werden nicht von Hand aufgezogen, nicht angefasst (nur 2x im Leben: bei Geburt zum chippen und im Todesfall). Nur gefüttert. Es wird über sie aufgeklärt, der Mythos vom bedrohlichen Menschenfresser entkräftigt. Es geht um Arterhaltung, um Verständnis schaffen für diese Tiere, um ihren Schutz. Wo ist die Grenze? Wo ist meine Grenze? Tiere zur Belustigung, nur zur Betrachtung in Käfige zu sperren für mich ein  No-Go. Und das hier? Ist das gut? Oder doch schlecht? Ich bin nach wie vor zwiespältig, was das angeht. Wir sind hingefahen. Haben uns die Falkner-Show und und die Wölfe angesehen. Wunderschöne Tiere. Zurückgeblieben in mir die Traurigkeit darüber, dass es Käfige braucht, um diese Tiere zu erhalten. Weil wir ihnen den Platz nehmen, sie aus der natürlichen Ordnung der Natur gewaltsam entfernt haben. Aus Unwissenheit und falscher Furcht. Auch Fion war hier einerseits glücklich darüber, dass es noch Wölfe gibt, sie geschützt werden. Aber traurig auch über die Vögel in den Käfigen. "Aber Mama, sie dürfen ja immer mal wieder fliegen. Jeden Tag. Und sie könnten dann wegfliegen, wenn sie wollten. Aber das tun sie ja nicht. Also ist es für sie vielleicht nicht so schlimm?" Wenn ich das beantworten könnte. Ich weiß es nicht. Natürlich haben sie alles, was sie brauchen. Und diese Vögel sind sämtlich Handaufzuchten. Vermutlich gar nicht in der Lage, in der freien Natur zu überleben. Wer weiß das schon. Und Aufklärung ist wichtig. Ich denke schon, dass die Arbeit dort einen Teil dazu beiträgt, mehr Verständnis und vielleicht sogar Bewusstsein zu schaffen. 

 

Ähnlich mein Gefühl beim Besuch im Wildpark Daun. Ein Riesenareal. Ich meine, wirklich RIESIG! Man fährt mit dem Auto im Schritt-Tempo (!) hindurch, an verschiedenen Stationen gibt es Aussichtstürme und Plattformen, um die Tiere zu beobachten. Hier sind keine Käfige. Nur das Waldgebiet ist umzäunt, kleine Gräben mit Gitterbrücken trennen verschiedene Bereiche voneinander. Die Tiere (Rehe, Hirsche, Wildpferde, Wildschweine, Emus, Ziegen und Affen) laufen frei herum. Die Rehe natürlich zutraulicher als gewohnt, kennen es, von Menschen gefüttert zu werden. Haben aber immer die Möglichkeit, auf Distanz zu gehen. Hier ist der Mensch zur Rücksicht gezwungen, ganz klar die Regel "Hier hat das Tier Vorfahrt". Faszinierend für Axel die Affen. Hier konnte man zwischen ihnen durchlaufen. Ganz entspannt und friedlich saßen sie dort. Klare Regel "Keine Taschen, kein Futter, Armlänge mindestens Distanz, keine Garantie!" Betreten also auf eigene Gefahr. Tritt man den Affen zu nahe, machen sie auch sofort deutlich, dass das keine gute Idee ist. Schon mal ein Affengebiss gesehen? Wenn da die Zähne gefletscht werden, geht man sofort ein paar Meter zurück. So nah sind wir aber gar nicht heran. Wir haben einfach ein bisschen betrachtet, fasziniert von der Kommunikation der Affen untereinander. Vom liebevollen und aufmerksamen Umgang mit dem jüngsten Affenbaby in der Familie (gerade 2 Wochen alt). Hier hatte ich kein so arg ungutes Gefühl. Nein, das ist nicht perfekt. Das sollte es nicht geben müssen, um Arten zu erhalten, um ihnen Platz einzuräumen in einer Welt, die wir ihnen entrissen haben. Aber ungeschehen machen können wir unseren Raubzug durch die Natur nicht. Wir können nur versuchen, ihn zu stoppen. Und in dem Bereich, in dem wir uns breit gemacht haben, zumindest wieder Platz zu schaffen für die Tiere. Einen geschützten Platz. Einen Kompromiss finden zwischen uneingeschränkter Freiheit und Käfig. Das klingt so lange gut, bis man am Ende rausfindet, dass der Park auf der Tageskarte Wildfleisch stehen hat. Denn das dortige Wild vermehrt sich natürlich rasant ohne natürlichen Feind. Und hier tritt der Jäger auf den Plan, als Schützer des Waldes, der die "Ordnung" wieder herstellen muss. Auch hier also kein wirklich gutes Gefühl, Fragen und Zweifel. 

 

Letzte tierische Station dann die Eifalia. Ein Schmetterlingsgarten. Ich liebe Schmetterlinge. Sie haben eine ganz spezifische und sehr persönliche Bedeutung für mich. Hier kein ungutes Gefühl. Vielleicht sollte ich eins haben, ich weiß es nicht. Aber hier war ich einfach nur fasziniert. Begeistert und verliebt in all die Pracht. Das verspielte Tanzen in der Luft, die bunten Farben, die Eleganz dieser zarten Geschöpfe. Begeistert davon, dass sie sich zu einem gesellten, sich auf einem niederließen. Das Wunder des Schlüpfens beobachten zu können - was für ein Kampf ins Leben, unglaublich. 

 

Riesiges Highlight unseres Urlaubs war das Gemündener Maar. Ein See in einem Vulkankrater. Umgeben von schönster Natur. So klares Wasser, unfassbar. Und kaltes Wasser, brrrr. Aber ihr kennt das ja, ist man erstmal drin, dann geht's ;) Wenn es eine Station in unserem Urlaub gibt, die ich euch dringend ans Herz lege, dann diese. Und für Fossilienliebhaber dann noch den Fluss in der Nähe von Pelm. Ist ein bisschen schwierig, den Weg dorthin zu finden, aber wenn man dann dort ist, findet man reiche Beute. Das Flussbett ist voll von Fossilien. Axel und Fion hätten Schubkarren mitnehmen können. Ich persönlich hatte mich auf einen kleinen grünen Fleck gesetzt und ein Buch gelesen. Ein einziges Mal bin ich zu den Jungs runter an den Fluss und habe dann auch fast direkt ein Bad genommen. Ungeschickte Menschen sollten dringend Wechselklamotten mitnehmen. Eines der Fotos zeigt meinen Weg zurück, Axel hatte sich mit der Kamera auf die Lauer gelegt, weil er davon überzeugt war, ich lande auf dem Rückweg tatsächlich im Wasser. Liebevoller Mann, oder? 

 

Ein bisschen Kultur hatten wir dann auch noch; die Löwenburg in Gerolstein, noch ein "Schloss" (die Burg Satzvey) und die Ruine der Villa Sarabodis, ein kleines Museum mit niedlichem integrierten Café, das Naturkundemuseum in Gerolstein (absolut empfehlenswert!!). 

 

Alles in allem ein wundervoller Urlaub. Jeder Tag war wunderschön und ich kann euch die Ecke wirklich nur wärmstens empfehlen. Die Leute dort sind sehr freundlich, die Landschaft ist ein Traum und es gibt so viel zu sehen und zu erleben. Wir haben schon gesagt, dass wir unbedingt nochmal dorthin müssen. Auch gern wieder in die Jugendherberge. 

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